Der Digitale Raum unserer Schule als vierter Pädagoge?

Mehr oder weniger bewusst prägen die digitale Infrastruktur, die Software und die favorisierten Online-Unterrichtstools als vierter Pädagoge resp. vierte Pädagogin unsere Unterrichtskultur. Wie sieht dieser digitale Raum an unserer Schule aus? Wo bestimmt er unsere Schul- und Unterrichtskultur mit?

Bild mittels midjourney: Digitaler Raum, stb

An der 12. Bildungskonferenz im März 2022 hielt Prof. Dr. Beat Döbeli ein spannendes Referat zum Thema «Digidaktik oder Datadaktik – Was machen wir mit der Digitalisierung an den Schulen?». In diesem Rahmen sprach Beat Döbeli auch den digitalen Raum als vierten Pädagogen an. (12. Bildungskonferenz | Zimmerberg Sihltal (zimmerberg-sihltal.ch)

Nebst den Lernenden selbst, den Lehrpersonen und den Schulräumen bestimmt der digitale Raum unser Lehren und Lernen zunehmend mit. Wie Schulräume, welche z. B. in Form eines klassischen Frontalunterrichtszimmers, einer Lernlandschaft oder eines Churer Modells zu einer bestimmten Art des Lernens auffordern resp. bestimmte Formen fördern oder erschweren, so beeinflusst auch der digitale Raum unsere Unterrichtsformen.

Der digitale Raum an der Sek eins Höfe

Kommunikation und Kollaboration unter den Lehrpersonen

Den Lehrpersonen stehen meist eine Feststation und ein mobiles Convertible zur Verfügung. Die Software-Infrastruktur besteht als Basis aus einem Microsoft Sharepoint und Office 365. Diese bekannte Webanwendung und die dazugehörigen Programme implizieren, wie wir als Schulteam auf der technischen Seite zusammenarbeiten. Dokumente, Unterrichtsmaterialien, laufende Entwicklungsdokumente von Arbeitsgruppen werden in onlineverfügbaren Ordnerstrukturen oder in internen Teamsites mit bestimmten Zugriffsrechten abgelegt und sind entsprechend verfügbar. Ebenfalls gibt der Kanton durch den Einsatz der Beurteilungsprogramme «Lehreroffice» oder in Zukunft durch «Pupil» Softwareeinsatz vor.

So erwartet unsere Schule von den Lehrpersonen, dass sie genügend versiert mit diesen Tools umgehen kann. News sollen regelmässig gelesen, Dokumente gefunden und abgelegt werden. Die Technik ermöglicht kollaboratives Arbeiten an gemeinsamen Themen und Projekten. Neuerdings funktioniert auch die ganze Telefonie über MS Teams. Somit liegen auch die Chatfunktion und die Bildung entsprechender Gruppen näher. Durch die Statusangaben lässt sich die Erreichbarkeit von Personen abschätzen.

Was impliziert der beschriebene digitale Raum für die Lehrpersonen:

  • Kompetenzen die Technik zu nützen, werden vorausgesetzt oder sollen angeeignet werden.
  • Die Tools sind in der Anschaffung und im Unterhalt kostspielig und sollen dementsprechend eingesetzt werden.
  • Die an der Schule beteiligten Erwachsenen kommunizieren auch elektronisch untereinander.
  • Gemeinsame Ablagestrukturen laden zum Teilen von Ideen und Materialien ein.
  • Wer die Grenze an der Schulzimmertüre sieht, wird hier stark herausgefordert sein.
  • Orts- und zeitunabhängiges Arbeiten wird teilweise ermöglicht.
  • Austausch, Gespräche können nach Bedarf ortsunabhängig durchgeführt werden und werden zur Zusammenarbeit auch erwartet.
  • Beurteilung, Begleitung und Förderung erfolgt ausgewählt transparent und im Austausch. Sie wird mindestens teilweise elektronisch abgebildet.
  • Die digitale Infrastruktur bringt mehr Transparenz (Erreichbarkeit, Absende- und Speicherdaten…), wirft aber gleichzeitig auch Datenschutzfragen auf.

  • Insgesamt wird ein recht hohes Mass an technisch unterstützter Zusammenarbeit, erwartet und impliziert.
midjourney stb

Unterricht(en)

Technische Ausrüstung

Unseren Schülerinnen und Schülern steht ein persönliches Convertible zur Verfügung. Dies ist offen vorkonfiguriert, so dass Lehrpersonen und auch die Schülerinnen und Schüler zusätzliche Software installieren können. Wir propagieren es als Arbeitsgerät und nicht als Spielkonsole. Ihr Convertible nehmen die Jugendlichen in der Regel mit nach Hause. Die Abdeckung mit persönlichem Smartphone und Internet zu Hause beträgt praktisch 100%.

In den Schulzimmern stehen den Lehrpersonen nebst ihrem Convertible, eine Feststation, ein Presenter und ein grosser Touchscreen zur Verfügung. Die Convertibles können via Miracast auf den Touchscreen geschaltet werden. WLAN-Abdeckung ist in praktisch allen Räumen der Schule vorhanden. Der technische ICT-Support ist gut ausgebaut und sorgt dafür, dass alles (fast) immer funktioniert.

Was wird von der vorhandenen Technik aus- und unausgesprochen erwartet.

  • Lehrpersonen und Lernende eignen sich entsprechende Kompetenzen an, um die (kostspieligen) Geräte einsetzen zu können.
  • Die technischen ICT-Mittel sind für gewisse Unterrichtssituationen (digitale Lehrmittel, vorgegebene Plattformen …) unentbehrlich und sollen im Unterricht eingesetzt werden.
  • Die Schülerinnen und Schüler sind für das eigene Convertible verantwortlich (Sorgfältiger Gebrauch, Ladestand, Aufbewahrung…) und dürfen dieses für die Schule auch privat nützen.
  • Es wird vorausgesetzt, dass die Schülerinnen und Schüler in der Schule und zu Hause (jederzeit) mit ihrem Convertible arbeiten können. Wo dies nicht möglich ist, wird eine Lösung gesucht.
  • Es ist möglich, dass Lehrpersonen mit ihren Klassen und die Lernenden – für die Schule – zusätzliche eigene Software installieren.

Im Unterricht eingesetzte Software und Plattformen

Wie das Lehrpersonenteam sind auch die Schüler in den Microsoft Sharepoint eingebunden und arbeiten mit den Office 365 Programmen.
Seitens einiger Lehrmittel sind die entsprechenden online-Angebote zugänglich und vorgesehen: Dis donc, connected, Prisma, Mathbuch…
Der Kanton gibt uns Lernpass plus vor resp. wir haben auf dieser Plattform die Verpflichtung und Möglichkeit Standortbestimmungen und Orientierungstests durchzuführen. Weiter stehen dort generierte, individualisierte Übungsaufgaben oder von den Lehrpersonen selbst erstellte Aufgaben zur Verfügung. Das Planungstool und das Lernjournal von Lernpass plus können zur individuellen Begleitung genutzt werden.
Daneben unterstützen wir den Einsatz von LearningView als weitere Möglichkeit. In MS Teams sind alle Klassen in Teams und die entsprechenden Fächer dieser Klassen in Kanälen vorgegeben. Für den Klassenchat und weitere elektronische Kommunikation ist ebenfalls Teams vorgesehen. Der Unterricht wird digital durch Dateiablagen in OneDrive oder Teams unterstützt. Ebenfalls können Unterrichtsthemen via Teamsaufgaben oder OneNote begleitet werden. Mathclips unterstützt die Schülerinnen in der Erarbeitung und Vertiefung von Mathematikinhalten. Einzelne Lehrpersonen setzen zusätzlich weitere Online-Angebote oder Software ein. In nicht wenigen Situationen werden auch die persönlichen Smartphones mit den entsprechenden Apps freiwillig im Unterricht eingesetzt und zu Hause genutzt. Die Installation von gewissen Apps empfehlen wir.

Welche Unterrichtsformen werden und sollen durch diese Möglichkeiten unterstützt werden.

  • Der klassische frontale Input-Unterricht ist weiterhin eine wichtige Unterrichtsform.
  • Daneben werden individualisierte und auch kollaborative Unterrichtsformen von der Elektronik unterstützt oder «verlangt».
  • So wird erwartet, dass alle Klassen die Onlineangebote der Lehrmittel nützen.
  • Elektronische dargebotenes Material, elektronisch unterstützte Aufträge, abgelegte Lösungen … unterstützen den individualisierten Unterricht.
  • Die meisten Unterrichtenden einer Klasse bilden auf MS Teams eine indirekte Gruppe, da sie das gemeinsame Klassenteam mit den entsprechenden Kanälen nützen.
  • Bei der Erarbeitung und Bearbeitung von Unterrichtsinhalten sollen die elektronischen Präsentationsmöglichkeiten genutzt werden (Touchscreen mit entsprechender Software, Presenter …).
  • Die Lernenden sollen einen Teil ihrer Arbeiten auch elektronisch erarbeiten. Sie sollen elektronisch kollaborativ arbeiten, Ergebnisse abspeichern, Dokumente abgeben und Ergebnisse präsentieren.
  • Das Convertible und die Onlinemöglichkeiten sollen vielfältig genutzt und als selbstverständliche Werkzeuge eingesetzt werden.

Um diese Ziele zu erreichen, sind entsprechende Prozesse von Lehrenden und Lernenden zu durchlaufen. Neue, sich ändernde Kompetenzen sind notwendig, zusätzliche Ablenkungsmöglichkeiten und Themen wie Datenschutz gilt es zu beachten. Ein guter technischer und pädagogischer ICT-Support ist auf diesem Weg sehr hilfreich.

Somit hat der digitale Raum als «vierter Pädagoge» vielfältige Implikationen auf die anderen «drei Pädagogen». Die Digitalisierung ermöglicht eine stärkere Flexibilität beim Lernen. Der Individualisierung kann besser Rechnung getragen werden. Räumlich nimmt die Flexibilität beim Lehren und Lernen zu.
Das Schulhaus, die Schulzimmer und der Schulraum werden flexibler genutzt. Das klassische Schulzimmer hat z.B. gerade für Inputsituationen immer noch eine grosse Bedeutung. In diesen Schulzimmern setzen wir aber sukzessive flexibleres Schulmobiliar ein, welches leicht umgestellt werden kann und so leichter erweiterte Unterrichtsformen zulässt.
Wir arbeiten auch auf neue flexiblere Schulräume wie Multifunktionszimmer, Gruppenräume und Lernnischen hin. Um diese Räume optimal nutzen zu können, braucht es die digitalen Möglichkeiten. Auch umgekehrt wäre es wenig sinnvoll die elektronischen Geräte nur in den klassischen, schweren, unflexiblen Pultreihen zu nutzen.

Zusammenfassung
Unser digitaler Raum wirkt durchaus als vierter Pädagoge.
Die digitalen Möglichkeiten werden für die Kommunikation und Kollaboration genutzt. Die gekauften Geräte und die nicht billige Infrastruktur verlangen eingesetzt zu werden. Dies führt zwangsläufig zu einem elektronisch unterstützten Unterricht. Vorgegebene Beurteilungsprogramme und Plattformen sowie Online-Angebote der Lehrmittel können dank der guten Infrastruktur gut genutzt werden. Der vielzitierten Individualisierung kann und muss durch diese digitalen Möglichkeiten zu einem gewissen Grad besser Rechnung getragen werden.
Das Zusammenspiel von Schulraum und digitalem Raum ermöglicht und verlangt auch erweiterte Lernformen. Da wir den Vorteil eines gut ausgebauten digitalen Raumes haben, ermöglicht dies uns vielfältige Lernformen. Umgekehrt wäre z. B. ohne eine 1:1 Ausstattung vieles noch nicht möglich.
Unser digitaler Raum gibt uns direkt und indirekt einiges an Unterrichtsformen vor. Trotzdem findet sich innerhalb und ausserhalb dieses Raums noch sehr viel Spielraum für die persönlichen Unterrichtsform-Schwerpunkte der einzelnen Lehrpersonen. Fragestellungen zum Datenschutz und zunehmend auch zu Big Data müssen zunehmend beachtet werden.
Bei der Anschaffung von digitaler Infrastruktur ist es notwendig und lohnend sich Gedanken zum so geschaffenen Raum zu machen und so zu wissen, was der vierte Pädagoge vorhat.

Bild mittels midjourney: Schülerin im Digitalen Raum

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert