Rückblick Physical Computing: Wir bauen uns ein CO2-Messgerät

In den vergangenen Wochen haben wir uns im Fach Medien und Informatik intensiv mit Physical Computing beschäftigt und zum Ende der Unterrichtsreihe ein eigenes Projekt zum Bau eines CO2-Messgerätes durchgeführt. Den Unterricht haben wir grösstenteils in Doppellektionen gehalten, da so deutlich mehr Unterrichtszeit auch als effektive Lernzeit zur Verfügung steht. Über die gesamte Unterrichtsreihe betrachtet standen die folgenden Kompetenz- und Lernziele im Vordergrund:

Die Schülerinnen und Schüler können…

  • Fachbegriffe korrekt verwenden, z. B. Sensor, Aktor,  analog, digital, Eingabe, Verarbeitung, Ausgabe, Kalibrierung, Messwert, Referenzwert
  • die Bestandteile eines digitalen Systems den Kategorien Eingabe, Verarbeitung und Ausgabe zuordnen
  • Beispiele für Sensoren und Aktoren nennen
  • erklären, was der Unterschied zwischen analogen und digitalen Daten ist
  • erklären, welche Sensoren und Aktoren an analoge bzw. digitale Pins angeschlossen werden müssen
  • erklären, wie man ein Gerät kalibriert
  • mit Snap4Arduino einfache Programme entwickeln, die Sensordaten auslesen (z. B. Helligkeit, Temperatur)
  • mit Snap4Arduino einfache Programme entwickeln, die Aktoren ansteuern (z. B. LED, Display)
  • mit Snap4Arduino komplexere Programme zum Auslesen von Sensoren und Ansteuern von Aktoren entwickeln, die z. B. Schleifen, Fallunterscheidungen und Vergleiche von Mess- und Schwellwerten beinhalten

Während in den ersten Lektionen die allgemeinen Grundlagen im Bereich Physical Computing geschaffen wurden (siehe Physical Computing: Wir bauen uns ein CO2-Messgerät und 2. Lektion Physical Computing: Postenarbeit), haben wir uns ab der dritten Doppellektion vertiefend mit der Messung der CO2-Konzentration in der Luft sowie der Entwicklung eigener CO2-Messgeräte auseinandergesetzt. Die Lektionen im Überblick:

  • Lektion 1: Einführung, erster Einblick in Hardware und Software (Demo/Tutorial)
  • Lektion 2 und 3: Postenarbeit, Hausaufgabe: eine Station zu Hause bearbeiten (Hardware mitnehmen)
  • Lektion 4 und 5: formative Lernkontrolle (Online Test), CO2-Messungen, Recherchearbeit, Kalibrierung von Geräten
  • Lektion 6 und 7: formative Lernkontrolle (Lernstand prüfen mit Kahoot), Projektarbeit, Hausaufgabe: Gehäuse bauen/Geräte fertigstellen
  • Lektion 8 und 9: Fertigstellung der Projekte, mdl. Prüfung und Abschlusspräsentationen

Zu Beginn der dritten Doppellektion haben wir nach einem kurzen Rückblick auf die vorangegangenen Lektionen und die Hausaufgabe eine kurze formative Lernkontrolle in Form eines Online-Tests durchgeführt. Dabei ging es unter anderem darum zu erkennen, inwiefern die Schülerinnen und Schüler in der Lage sind, die bisher kennengelernten Fachbegriffe korrekt zu verwenden, die verschiedenen Sensoren und Aktoren ihren Funktionen sowie der Eingabe und Ausgabe zuzuordnen, Unterschiede zwischen analogen und digitalen Signalen zu erfassen und entsprechende Bauteile zuzuordnen sowie einzelne Prozesse des Inputs, der Verarbeitung und des Outputs eines beispielhaften Messgerätes in die korrekte Reihenfolge zu bringen. Insgesamt zeigte sich dabei ein überwiegend gutes Bild, die größten Unsicherheiten hatte die Schülerinnen und Schüler in der Bestimmung, welche Sensoren analog und welche digital Daten erfassen. Auch die korrekte Zuordnung von Sensoren, Aktoren und Prozessoren bzw. Messung von Daten, Anzeige von Informationen und Interpretation von Daten zu Eingabe, Verarbeitung und Ausgabe war für einige noch schwierig.

Nach der Auswertung des Tests und Erläuterung der korrekten Antworten recherchierten die Schülerinnen und Schüler anhand von Leitfragen zu verschiedenen Aspekten der Messung von Luftqualität:

  • Inwiefern kann die CO2-Konzentration der Luft etwas über die Luftqualität aussagen?
  • Welche Faktoren beeinflussen die CO2-Konzentration in Innenräumen besonders stark?
  • Welche Auswirkungen kann schlechte Luftqualität auf Menschen haben?
  • Wofür steht die Maßeinheit „ppm“ und was bedeutet dieser Wert?
  • Welche CO2-Werte (ca.) misst man üblicherweise  an frischer Waldluft / in Städten / in Innenräumen?
  • Was sind „gute“, „akzeptable“ und „schlechte“ Werte und wann sollte man unbedingt Maßnahmen ergreifen?In Gruppen konnten sie außerdem mit CO2-Messgeräten ausgestattet die Luftqualität an verschiedenen Orten in der Schule überprüfen und stellten unter anderem Unterschiede zwischen Räumen und Fluren sowie auf unterschiedlichen Etagen fest. Es zeigte sich außerdem (wenig überraschend, aber für alle erheiternd), dass die Luftqualität in Mülleimern besonders schlecht ist. Im Anschluss haben wir uns noch mit der Kalibrierung von Messgeräten befasst und von den Lernenden als Hausaufgabe ein entsprechendes Snap4Arduino-Programm für den Luftgütesensor MQ135 analysieren lassen.Insgesamt verlief diese Unterrichtslektion entsprechend unserer Erwartungen, auch wenn die Rechercheaufträge die Schülerinnen und Schüler teilweise vor größere Herausforderungen stellten, als gedacht. Trotz einer Liste hilfreicher Webseiten fiel es einigen schwer, die Informationen geeignet zu filtern und relevante Informationen zu extrahieren. Für diese Zielgruppe wäre es daher möglicherweise zielführender, den

 

 Rechercheauftrag auf eine Webseite zu begrenzen, um nicht mit zu vielen Informationen und teilweise widersprüchlichen Angaben zu hohe kognitive Ansprüche für diese Altersgruppe zu stellen. Die Messung der CO2-Konzentration im Schulgebäude bereitete den Gruppen viel Freude und sie bekamen auf diese Weise auch ein gutes Gespür dafür, welche Werte auf gute, akzeptable und schlechte Luftqualität hinweisen. Diese Erkenntnisse hielten sie in Tabellen fest, um sie im späteren Verlauf – als es um die Programmierung der eigenen Geräte ging –  wieder in den Blick zu nehmen.

Die vorletzte Doppellektion begann dann erneut mit einer kurzen formativen Lernkontrolle zur Prüfung des aktuellen Wissens- und Kompetenzstandes, diesmal insbesondere in Hinblick auf neu gelernte Konzepte und Fachbegriffe in Zusammenhang mit der Kalibrierung von Messwerten. Dabei zeigte sich, dass die Schülerinnen und Schüler wider Erwartens den Sinn und den Aufbau einer Kalibrierungsfunktion schnell nachvollziehen konnten. Dies liegt sehr wahrscheinlich daran, dass die Lernenden sich als Hausaufgabe  bereits mit den Variablen des Kalibrierungsprogrammes auseinandersetzen mussten. Die Hausaufgabe wurde zu Beginn der Lektion in Form eines Kahoots überprüft, welches Ihr gerne einmal selber ausprobieren könnt:

Kahoot Hausaufgabe Kalibrierung

Anschließend begann dann die Projektarbeit: die Schülerinnen und Schüler erstellten angeleitet durch ein Hilfestellung gebendes Video ihre eigenen CO2-Messgeräte. Dabei wurde ihnen im Sinne des Scaffoldings ein rudimentäres Beispielprojekt erklärt. Ihre Aufgabe war es, dieses zu durchdringen und mit ihren eigenen Zielvorstellungen dann in ein funktionsfähiges Programm für ihr eigenes Gerät zu überführen. Die Fertigstellung der Messgeräte inklusive des Baus eines geeigneten Gehäuses wurden als Hausaufgabe aufgetragen.

In der letzten Doppellektion erhielten die Schülerinnen und Schüler noch die Gelegenheit, ihren Projekten den letzten Feinschliff zu geben und die Geräte ggf. erneut zu kalibrieren. Parallel zu dieser Arbeitsphase wurden sie in ihren Projektteams von der Lehrperson aus dem Raum herausgeholt und in einer abschließenden mündlichen Prüfung befragt. Ziel dieser Prüfung war es, zu erfahren, wie gut die Schülerinnen und Schüler das Thema durchdrungen und ihre eigenen Programme verstanden haben. Die Ergebnisse waren großenteils sehr gut und es entstand der Eindruck, dass die meisten Schülerinnen und Schüler im Detail erklären konnte, wie ihre Geräte funktionieren, insbesondere

  • welche Bauteile sie nutzten und warum
  • welche Funktion die einzelnen Befehle in ihren Programmen haben
  • warum sie bestimmte Befehle verwenden und nicht andere
  • wie sie ihre Skripte ändern könnten, ohne die Ausgabe zu verändern
  • welcher Teil des Skriptes für bestimmte Funktionalitäten zuständig ist
  • welche Rolle bestimmte Variablen im Skript spielen
  • was passieren würde, wenn bestimmte Dinge geändert oder gelöscht würden

Als Abschluss der Unterrichtsreihe präsentierten die Schülerinnen und Schüler ihre Projekte, erklärten besondere Eigenschaften und diskutierten erneut, welche Grenzwerte der Luftgüte ausschlaggebend sein sollten, um verschiedene Meldungen über die Geräte auszugeben.

In der Umsetzung zeigten sich die Schülerinnen und Schüler kreativ: einige nutzten beispielsweise rote und grüne LED-Lämpchen, um zu signalisieren wann gelüftet werden soll, andere verwendeten LCD-Displays auf denen der aktuelle Wert in ppm ausgegeben wurde, wieder andere setzten Summer ein, um auch akustisch zu warnen. Auch die Gestaltung der Gehäuse hat ihnen viel Freude bereitet und von Joghurtbechern über Popcorn-Schachteln bis hin zu Geschenkkartons wurden viele Dinge für diesen Zweck genutzt.

Im Nachgang haben wir die Schülerinnen und Schüler in einer Online-Umfrage zur vergangenen Unterrichtsreihe “Physical Computing” befragt. Es ging uns dabei um die Erfassung ihrer Wahrnehmung des Unterrichts sowie um ihre Selbsteinschätzung zum Kompetenzerwerb und Wissenszuwachs. Insgesamt zeiget sich ein positives Bild: die Schülerinnen und Schüler hatten nicht nur den Eindruck, ihr konkretes Programm durchdrungen zu haben, sondern sahen sich überwiegend auch in der Lage, andere Physical-Computing-Projekte umzusetzen (genanntes Beispiel: Lichterkette aus LEDs, deren Farben regelmässig wechseln). Sie hatten den Eindruck viele wichtige Dinge gelernt zu haben und Programmierung und Coden nun besser zu verstehen. Während die Einstiegslektionen von der überwiegenden Anzahl der Schülerinnen und Schüler noch als leicht, teilweise sogar zu leicht empfunden wurden, waren die späteren Lektionen (4 und 5 bzw. 6 und 7) deutlich anspruchsvoller. Die meisten Schülerinnen und Schüler fanden sie machbar oder schwierig, vereinzelt wurden sie auch als “zu schwierig” empfunden. Gleichzeitig waren dies aber auch die Lektionen, die von ihnen als “am lehrreichsten” empfunden wurden. Die letzte Doppellektion zeigte dann wieder ein ausgewogenes Bild mit Ausschlägen in beide Richtungen.

Rückblickend und zusammenfassend betrachtet hat die Unterrichtsreihe gut funktioniert, allerdings mit einigen Einschränkungen:

  • Wir hatten die Möglichkeit den Unterricht in Doppellektionen abzuhalten. Dies hat uns deutlich geholfen, denn andernfalls wäre durch das Zusammensuchen der benötigten Bauteile am Stundebeginn und das Aufräumen am Ende viel Zeit verloren gegangen. Leider ist das nicht die gängige Praxis im Fach Medien und Informatik, weswegen man bei einer erneuten Durchführung im normalen Unterrichtssetting mindestens 12 Lektionen einplanen sollte.
  • Trotz der Doppellektionen vergingen die Unterrichtsstunden wie im Flug. Teilweise war unsere Planung zu ambitionistisch, so dass einige Dinge nicht in der Tiefe besprochen werden konnten, wie wir es gerne gehabt hätten. Auch hier gilt: man sollte mehr Zeit einplanen oder aber die Unterrichtsschritte reduzieren.
  • Einige Materialien waren für die Zielgruppe zu textlastig, es fiel auf, dass sie eher ausprobierten, als Anleitungen zu folgen und dann Fragen auftauchten, die beim Lesen der Anleitung hätten geklärt werden können. Hier eignet es sich vermutlich, knapper gehaltene Challenge Cards zu verwenden und – wo möglich – Textpassagen zu ikonisieren.
  • Es passierte relativ häufig, dass die Schülerinnen und Schüler bestimmte Teile plötzlich nicht mehr finden konnten, was den Unterrichtsablauf natürlich stört. In allen Fällen tauchten die Teile später wieder auf, meist bei den selben Personen. Hier wäre es daher sinnvoll, sich künftig eine geschickte Methode zur Arbeitsplatzorganisation zu überlegen, beispielsweise in dem man auf jedem Pult eine Fächerbox bereitstellt.
  • Es hat oft einiges an Zeit gekostet, den Schülerinnen und Schülern bei ganz grundlegenden Dingen zu helfen, die mit dem eigentlichen Unterricht nichts zu tun haben: Wo ist meine Datei geblieben? Wie geht Drag&Drop? Wie kann ich das Dokument herunterladen? Neben einer besseren Organisation der Bereitstellung der Programme und Materialien wäre es vielleicht auch denkbar, ein solches Projekt erst durchzuführen, die die Schülerinnen und Schüler im Umgang mit ihren Computern bereits vertrauter sind und man nicht mehr so viel Unterrichstzeit für solche Dinge benötigt.

Im Fazit: wir würden den Unterricht auf sehr ähnliche Weise jederzeit wieder durchführen, allerdings vermutlich erst ein Schuljahr später, da wir vermuten, dass dann viele der angesprochenen kognitiven und organisatorischen Hürden nicht mehr bestehen.

 

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