Videoprojekte im Fremdsprachenunterricht

Ich bin der festen Überzeugung, dass das Ziel eines jeden Fremdsprachenunterrichts die Förderung von grundlegenden kommunikativen Sprachfertigkeiten sein sollte. Die mündliche Kommunikation (produktiv wie auch rezeptiv) liegt mir dabei besonders am Herzen. Ein handlungs- und produktionsorientierter Ansatz eröffnet den Schülerinnen und Schülern Möglichkeiten, sich individualisiert nach ihrem derzeitigen Sprachstand weiterzuentwickeln.

Das Projekt

Ausgehend von den Lehrmitteln «New Inspiration 2» und «Envol 7» gestalten die Lernenden ihr eigenes Videoprojekt, welches zentrale Inhalte der behandelten Unterrichtseinheit aufgreift. Nachdem die dazu notwendigen grammatikalischen Strukturen und das grundlegende Vokabular erarbeitet wurden, erhielten die Schülerinnen und Schüler die Möglichkeit, diese Sprachstrukturen in einer (halb-)authentischen Kommunikationssituation zu festigen und zu vertiefen. Die Lernenden wurden durch einen Mündlich Prüfung Videos U7 unterstützt, wobei die Handlungsanweisungen stets Platz für Kreativität und individuelle Umsetzungsmöglichkeiten liessen.

Zeitlicher Rahmen

Den Lernenden wurde zur Planung und Realisierung der Videoprojekte zwischen drei und fünf Lektionen zur Verfügung gestellt. Dieser zeitliche Rahmen erwies sich bereits bei mehreren Videoprojekten als optimale Grundlage für eine sauber strukturierte und sprachlich fundierte Auseinandersetzung mit dem Projekt. Vielfach wurden die Videos selbst dann in der Freizeit an speziellen Orten und Schauplätzen gedreht.

Hilfestellungen

  • Der Leitfaden

Der Leitfaden verweist explizit nochmals auf behandelte Theorieseiten im Lehrmittel, die bei der Planung hilfreich sein könnten. Des Weiteren schafft er Transparenz bezüglich den Leistungserwartungen und verleiht den Videos eine einheitliche Struktur mit Möglichkeiten zur Individualisierung.

  • Die Lehrperson

Da die Schülerinnen und Schüler während des Projektes sehr selbstständig arbeiten, hat die Lehrperson die Möglichkeit, die einzelnen Gruppen binnendifferenziert zu unterstützen.

  • Das Tablet

Die meisten Lernenden schreiben die schriftliche Version des gesprochenen Textes auf dem Tablet nieder. Auch hier zeigt sich der individuelle Zugang zu bereits bekannten Softwareprogrammen oder technischen Unterstützungsmöglichkeiten: Während einige Gruppen gemeinsam auf Microsoft OneNote am Text schreiben, verwenden andere Microsoft Word mit der integrierten Sprachkorrekturfunktion. Wiederum andere Gruppen verwenden Apps/Internetseiten wie leo.org oder linguee.de zur sprachlichen Unterstützung. Auch die Aussprachefunktion von leo.org wird von den Lernenden häufig verwendet.

Da es bei den ersten Versuchen noch vermehrt vorkam, dass einzelne Gruppen Google-Translate als neuen besten Freund entdeckten, stellte ich den Lernenden nach einer gewissen Zeit den DeepL-Translator vor. Dabei thematisierten wir die Tücken und sprachlichen Grenzen eines solchen Übersetzungsprogrammes, allerdings auch das Lernpotenzial hinsichtlich Wortschatzarbeit, Verwendung von Synonymen und Erwerb von sprachlichen Grundstrukturen. Dabei gefällt mir persönlich besonders, dass der DeepL-Translator auch alternative Sprachvarianten aufzeigt und dass jedes übersetzte Wort angeklickt werden kann, damit einem zahlreiche, meist kontextrelevante, Synonyme empfohlen werden. Grundsätzlich teile ich den Lernenden jedoch stets mit, dass sie in erster Linie mit ihren vorhanden sprachlichen Kompetenzen arbeiten sollen und dass ich nichts erwarte oder voraussetze, was wir nicht auch bereits im Unterricht behandelt haben.

  • Das Smartphone

Die Schülerinnen und Schüler benutzten das Smartphone in erster Linie für die Videoaufnahmen. Mit Apps wie VivaVideo, VideoCutter oder VideoShow haben einige Gruppen ihre Videos mit zusätzlichen Effekten aufgemotzt. Da wir die Apps während des Unterrichts nie thematisiert haben, habe ich den Gruppen freigestellt, ihre Videos zusätzlich zu bearbeiten. Obwohl die zusätzliche Bearbeitung mit einem zeitlichen Zusatzaufwand verbunden war und keineswegs bewertungsrelevant war, entschieden sich viele Lernende dazu, diese Zusatzarbeit freiwillig zu leisten.

Positive Aspekte der Videoprojekte

  • Freude und Individualisierung beim Fremdsprachenerwerb
  • Förderung von überfachlichen Kompetenzen wie Selbstständigkeit, Eigenständigkeit, Kooperations- und Problemlösefähigkeit
  • Möglichkeiten eines interdisziplinären Ansatzes mit weiteren Fachbereichen (z.B. Medien- und Informatik, Geschichte, Lebenskunde, etc.)
  • Die Videoprojekte mindern Hemmungen bei der mündlichen Kommunikation im Fremdsprachenunterricht; besonders im Fach Französisch, da die Lernenden die Möglichkeit haben, sich selbst anhand der gedrehten Videos zu analysieren, zu reflektieren und zu verbessern, falls sie mit dem Endprodukt nicht zufrieden sind.
  • Eine hohe Motivation und Kreativität seitens der Lernenden im Umgang mit Fremdsprachen
  • Ein persönlicher Zugang zur Sprache (emotionale, motivationale und volitive Faktoren)
  • Hohe Schüleraktivität: Fremdsprache als Verständigungssprache auch während der Planung und Realisierung der Videos
  • Erwerb, Festigung und Vertiefung von sprachlichen Strukturen
  • Kennenlernen von kulturellen Eigenheiten der Zielsprache je nach Videoprojekt und Schwerpunkt

Mögliche Stolpersteine

  • Blindes Vertrauen in Sprachassistenten und Übersetzungsprogramme wie Google Translate oder DeepL
  • Grösse der Videodatei beim Verschicken – USB-Stick, Komprimierung evtl. thematisieren oder Arbeit mit einer Cloud
  • Aufwendige Nachbearbeitung der Videos – auch wenn sie freiwillig ist, viele Gruppen haben hier sehr viel Zeit investiert

Eindrücke gefällig?

Hier ein kleiner Auszug aus einem längeren Video meiner 2. Realklasse 🙂

https://www.youtube.com/watch?v=p4k3FEhicXo

 

PenPals-Project

 Kulturelles Lernen im Fremdsprachenunterricht oder «von der Liebe zu Donuts»

Fremdsprachenerwerb ist für mich im besten Fall gleichzusetzen mit kulturellem Lernen. Weshalb lernen die Schüler/innen denn eine Fremdsprache? Um Lehrpersonen innerhalb des Klassenzimmers zu beeindrucken? Um zukünftige Arbeitgeber mit offiziell anerkannten Diplomen zu beeindrucken? Naja, vielleicht ja auch…aber das Erlernen einer Fremdsprache soll in erster Linie den Lernenden die Möglichkeit bieten, mit anderen Menschen in Kontakt zu treten und den eigenen Erfahrungshorizont zu erweitern.

Letzte Woche habe ich mit meiner Klasse am Projekt «World Explorers» von PenPalSchools gestartet. Über einen Zeitraum von sechs Wochen kommunizieren und interagieren meine Schüler/innen nun mit anderen Jugendlichen aus allen Kontinenten. Eine wöchentliche Einstiegslektion bietet nebst einer inhaltlichen Gesprächsgrundlage weitere sprachliche Hilfestellungen wie neues Vokabular oder sprachstrukturelle Hilfen (z.B. Wie formuliere ich eine Frage?).

Penpal Schools wird bereits von über 15’000 Lehrpersonen in 144 Ländern verwendet. Für die ersten 5 Lehrpersonen pro Schulhaus ist das Programm derzeit noch kostenlos. Die Seite eignet sich um authentisches Fremdsprachenlernen in der direkten Interaktion mit anderen Lernenden zu fördern. Die Partnerschulen werden geprüft und sind vertrauenswürdig. Aus kulturellen Gründen werden allen Lernenden vier weitere Penpals des gleichen Alters und Geschlechts zugeordnet. Auch haben die Penpals eine vergleichbare Sprachkompetenz. Als Lehrperson steht mir ein Dashboard zur Verfügung, auf welchem ich die asynchronen Chatverläufe meiner Klasse lesen, überprüfen, kommentieren und bewerten kann.

Die Schüler/innen freuten sich enorm darauf, das Lehrmittel einmal beiseite zu legen und über die digitale Welt in andere Kulturen einzutauchen. Nun arbeiten wir jeweils montags mit PenPalSchools und trainieren damit unsere Lesekompetenzen, verfeinern unsere sprachliche Ausdrucksfähigkeit, erwerben neues Vokabular, lernen, was es heisst, sich im Internet darzustellen und was das Leben auf anderen Erdteilen zu bieten hat.

Dabei werden sowohl kulturelle Unterschiede als auch Gemeinsamkeiten erkannt. So stellte einer meiner Schüler mit Freude fest, dass auch in Amerika (wer hätte es gedacht?) Donuts auf dem Tagesprogramm stehen…

Ob vor oder nach dem Zähneputzen – wie bei meinem Schüler – ist dabei offengeblieben :-)…

 

Marc Helbling, Oktober 2017