Rückblick Bewerbungshomepage

Der Beginn des Fernunterrichts war gleichzeitig eine gute Überprüfungsmöglichkeit für die Qualität der konzipierten Materialien zum selbstständigen Erstellen und Designen der Bewerbungshomepage. Folgend werden zentrale Erkenntnisse aus der Arbeit zusammengefasst, wobei ich auch die Lernenden selbst zu Wort kommen lassen möchte.

  • Stichwort: Selbstständiges Arbeiten & Einsatz des Dossiers

Im Grossen und Ganzen gelang es meinen Schülerinnen und Schülern gut, die Aufträge in Eigenregie zu erledigen. Hervorheben möchte ich jedoch, dass es sich hierbei um eine eher leistungsstarke Sekundarklasse Niveau A handelt, die bereits viel Vorwissen im Bereich des selbstständigen Arbeitens mitbringt. Mit anderen Klassen aus tieferen Niveaus hätte ich wohl gewisse Sequenzen geführter gemacht und deutlich weniger Text-Input bei den Aufgaben gegeben.
Die Lernenden orientierten sich am ausgehändigten Dossier und erforschten die Möglichkeiten meist intuitiv. Hie und da wurden Erklärvideos auf YouTube oder die Support-Seite des Webseiten-Anbieters konsultiert.

Die individuellen und anonymisierten Antworten auf die Frage «Wie erging es dir bei der selbstständigen Arbeit mit dem Dossier?» finden Sie hier.

  • Zeitlicher Aufwand

Während des Unterrichts investierten wir zwischen 12-14 Lektionen für das Erstellen der Bewerbungshomepage. Je nach Lern- und Arbeitstempo investierten die Schülerinnen und Schüler zusätzlich Zeit, um die Homepage sprachlich oder gestalterisch zu optimieren. Ungefähr die Hälfte der Klasse wurde während den 12-14 Unterrichtslektionen fertig, ohne zusätzlichen Aufwand (Stichwort: Selbstständige Hausaufgaben gemäss Arbeitsplan).

  • Kompetenzerwerb

Der verantwortungsbewusste und sensible Umgang mit eigenen Informationen im Internet wurde durch das Erstellen der Homepage gefördert. Die Schüler/innen lernten exemplarisch, wie sie sich digital professionell und adressatenorientiert präsentieren können. Die Lernenden konnten dadurch die vorherrschende Medienlandschaft besser verstehen, sie nutzten digitale Werkzeuge eigenständig und kritisch und hinterfragten dabei die sich bietenden Chancen und Risiken.

Zu erwähnen ist hier sicherlich auch, dass die Bandbreite bezüglich der Qualität der eingereichten Arbeiten im Rahmen des Üblichen war. Es zeigte sich schliesslich, wer lediglich das geforderte Minimum investierte und wer sich äusserst motiviert und intensiv engagiert hat. Es gab sowohl qualitativ ungenügende Arbeiten, die man auf diese Weise nicht gewinnbringend für den Bewerbungsprozess nutzen kann, als auch beeindruckende und äusserst professionelle Arbeiten.

Bei der Selbstreflexion zum eigenen Kompetenzerwerb zeigte sich bei vielen Lernenden, dass sie sowohl Kernkompetenzen aus dem Fach Deutsch wie auch aus dem Bereich «Medien und Informatik» erwerben und vertiefen konnten.

Die individuellen und anonymisierten Antworten auf die Frage «Was hast du konkret durch die eigene Arbeit an der Homepage gelernt?» finden Sie hier.

  • Mögliche Stolpersteine und Optimierungsmöglichkeiten

Zu Überprüfen bleibt beim Einsatz des Dossiers die Aktualität der Angaben, da sich die Webseiten-Anbieter ständig weiterentwickeln und die Websites mit neuen Features ergänzen. Das eigentliche Konzept bleibt meist mehrheitlich bestehen.

Unterschiede zeigten sich auch bei der Hardware der Lernenden. Wer an einem eigenen Computer mit grossem Bildschirm arbeiten konnte, hatte es leichter, als die Schüler/innen, die lediglich ihr Tablet zur Verfügung hatten.

Des Weiteren ist das Dossier sehr textlastig und bedingt genaues Lesen und strukturiertes Vorgehen. Gewisse Schüler/innen waren hier bezüglich Lesekompetenz und Selbstständigkeit teilweise überfordert.

Die individuellen und anonymisierten Antworten auf die Frage «Was würdest du optimieren/ändern?» finden Sie hier.

  • Und nun….Wie weiter?

Ob die Homepage und die eigene Visitenkarte schliesslich im Ernstfall eingesetzt werden, wird sich erst noch zeigen. Mehr als die Hälfte der Lernenden wird die Homepage definitiv oder eventuell für den Bewerbungsprozess nutzen. Hier wird sich auch zeigen, ob die Schülerinnen und Schüler die Tipps aus dem kriterienorientierten Schüler- und Lehrpersonenfeedback aufgreifen und umsetzen werden.

Meine eigene Bewerbungshomepage

Unterrichtsmaterial Bewerbungshomepage-komprimiert

Warum eine Bewerbungshomepage?

Als Digital Natives wachsen unsere Jugendlichen in einer digitalisierten und schnelllebigen Zeit auf, welche zunehmend weiterführende Kompetenzen im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologien erfordert. Der verantwortungsbewusste und sensible Umgang mit eigenen Informationen im Internet stellt viele Jugendliche vor eine Herausforderung. Beim Erstellen einer Bewerbungshomepage lernen die Schüler/innen exemplarisch, wie sie sich digital professionell und adressatenorientiert präsentieren können. Die Lernenden können dadurch die vorherrschende Medienlandschaft besser verstehen, sie nutzen digitale Werkzeuge eigenständig und kritisch und hinterfragen dabei die sich bietenden Chancen und Risiken. All dies sind Kernkompetenzen, zu deren Förderung der Lehrplan 21 verpflichtet.

Nebst dieser sehr grundlegenden, pädagogischen Perspektive, bietet die Bewerbungshomepage den Jugendlichen einen vorteilhaften Trumpf im Ärmel bei der herausfordernden Berufswahl. Immer häufiger informieren sich zukünftige Arbeitgeber/innen mithilfe des Internets über potentielle Bewerber/innen. Durch die Bewerbungshomepage gelingt es Jugendlichen sich von Mitbewerberinnen und –bewerbern abzugrenzen, indem sie zusätzliches Wissen und Engagement in einem digitalisierten Kontext präsentieren.

Konzept / Grundidee

Die Arbeit an einer Bewerbungshomepage öffnet einer fächerübergreifenden (Medien und Informatik, Deutsch, Lebenskunde, Bildnerisches Gestalten) und kompetenzorientierten Unterrichtseinheit die Tür, welche an der privaten Lebenswelt der Jugendlichen anknüpft und die Brücke zur beruflichen Zukunft schlägt.

Der erstellte Leitfaden orientiert sich an den folgenden Prinzipien:

  • Schutz der Privatsphäre: Der Schutz der Privatsphäre und sensibler Daten hat einen hohen Stellenwert. Durch das Erstellen von passwortgeschützten Seitenbereichen wird dem Rechnung getragen. Es lohnt sich, weitere Inputs in Sachen Privatsphäre und sensible Daten (Lebenslauf, Zeugnisse, etc.) im Internet zu machen.
  • Prinzip der Freiwilligkeit: Alle Jugendlichen erarbeiten exemplarisch eine eigene Bewerbungshomepage anhand der vorgegebenen Kriterien und Module. Ob die passwortgeschützte Seite anschliessend bei Bewerbungsgesprächen (gewinnbringend) eingesetzt wird, ist den Lernenden selbst überlassen.
  • Erarbeitung von konzeptionellem Wissen beim Gestalten einer Bewerbungshomepage am Beispiel des Homepage-Baukastens „Wix“: Das Erstellen der Homepage erfordert weder von Lehrpersonen noch von Lernenden vertiefte HTML-/Programmier-Kenntnisse. Das erlernte Wissen ist auf andere Homepage-Baukästen (Jimdo, WordPress, etc.) übertragbar. Der Anbieter „Wix“ wurde aufgrund von persönlichen Vorerfahrungen meinerseits und der Möglichkeit einer unlimitierten Anzahl an passwortgeschützten Seitenbereichen gewählt.
  • Selbstständiges Arbeiten: Die Jugendlichen erarbeiten sich die Bewerbungshomepage grundsätzlich in Eigenregie. Die Lehrperson steht als Coach mit Hilfestellungen zur Seite. Mithilfe von Youtube-Tutorials und/oder dem Webseiten-Support des Homepage-Anbieters sollen die Lernenden Umsetzungsschwierigkeiten persönlich auf den Grund gehen.
  • Selbstreflexion und Peer-Feedback: Regelmässig werden die Lernenden anhand der Checklisten aufgefordert, die erstellten Inhalte auf ihre Vollständigkeit und Qualität hin zu überprüfen. Zusätzlich steht am Ende der Unterrichtseinheit ein detailliertes Kriterienraster zur Selbst-, Peer- und Fremdevaluation durch die Lehrperson zur Verfügung. Es bietet sich an, die Arbeit mit Textkorrekturprogrammen aufzugreifen und zu vertiefen.

Aufbau und Umsetzung

Die Arbeit an der Bewerbungshomepage teilt sich in die folgenden Module auf:

  • Modul 1: Aufsetzen der Homepage
  • Modul 2: Titelseite gestalten
  • Modul 3: Unterseite 1 – Das bin ich!
  • Modul 4: Unterseite 2 – Meine Stärken
  • Modul 5: Unterseite 3 – Lebenslauf und Downloadbereich
  • Modul 6: Unterseite 4 – Kontaktangaben
  • Modul 7: Überprüfung und Qualitätsmerkmale
  • Zusatzmodul 8: Marketing – Meine eigene Visitenkarte ​

Da ich die Bewerbungshomepage nach den Sportferien zum ersten Mal mit meiner Klasse erprobe, kann ich mich auf keine Erfahrungswerte beziehen. Ich rechne mit einem zeitlichen Aufwand von 10-14 Lektionen. Eine Auswertung unter Einbezug der Eindrücke und Erfahrungen meiner Klasse folgt in einem zweiten Teil zu einem späteren Zeitpunkt.

Da die schriftliche Bewerbung während den nächsten Monaten für Schüler/innen der zweiten (und dritten!) Oberstufe einen hohen Stellenwert besitzt und einzelne Lehrpersonen bereits Erfahrungen mit Bewerbungshomepages sammeln möchten, habe ich mich dazu entschlossen, den Eintrag bereits jetzt mit den dazugehörigen Unterrichtsmaterialien hochzuladen. Eine kritische Evaluation folgt. Natürlich bin ich auch interessiert an Rückmeldungen und Erfahrungswerten anderer Lehrpersonen.

Entwicklungsmöglichkeiten

Bei der Unterrichtseinheit handelt es sich primär um einen Leitfaden für das selbstständige Erarbeiten einer Bewerbungshomepage. Die Produktorientierung beziehungsweise das Erstellen einer semi-professionellen Homepage steht im Vordergrund. Es lohnt sich, zusätzliche Inputs zu den folgenden Fragen im Unterricht einzustreuen:

  • Selbstreflexion: Wie stelle ich mich dar? Wie stelle ich mich nicht dar?
  • Wahl der Präsentationsplattform: Was ist der Unterschied zwischen einer Bewerbungshomepage und meinem Instagram-, Tikok-, Snapchat- oder Twitterprofil?
  • Privatsphäre im Internet: Wie erstelle ich passwortgeschützte Bereiche für Social Media-Konten? Wie sieht meine digitale Visitenkarte zum heutigen Zeitpunkt aus? Möchte ich daran etwas ändern?
  • Chancen und Risiken: Explizite Unterrichts- / Reflexionseinheit zu den Chancen und Risiken einer Bewerbungshomepage

Viel Spass beim Ausprobieren!

Adaptive und personalisierte Lernsysteme

Der Heterogenität einer Klasse gerecht werden…
Schülerinnen und Schüler individuell fordern und fördern…
Personalisierte und niveauangepasste Aufgabenstellungen zur Verfügung stellen…
Formative Leistungserhebungen und daraus abgeleitete förderorientierte Lernpläne erstellen…
Die eigene Persönlichkeit entfalten und Kompetenzen vielseitig erweitern!

Die Versprechen adaptiver Lernsysteme lassen sich auf der Zunge zergehen. Auch die Erwartungshaltung vieler Lehrpersonen, mich eingeschlossen, sind dementsprechend hoch – vielfach vielleicht zu hoch oder (noch) unrealistisch. Versprechen dieses Kalibers lassen auch mein Pädagogen-Herz pochen und höherschlagen. Doch betrachte ich die aktuelle Situation mit der notwendigen Nüchternheit, dämpft sich meine anfängliche Euphorie und mein Herzschlag stabilisiert sich rasch wieder…

Vielleicht habe ich mir zu viel erhofft, vielleicht habe das heilbringende Lernsystem noch nicht gefunden oder vielleicht bin ich doch auch einfach zu gerne «Lehrperson, die vor der Klasse steht und mit den Jugendlichen gemeinsam etwas erschafft», aber bis jetzt haben mich adaptive Lern- und Testverfahren enttäuscht.

Meine Schülerinnen und Schüler finden zunächst Gefallen an dieser Art des selbstständigen Arbeitens. Auch ihre Augen werden bei den gemachten Versprechen grösser.
Adaptive Lernsysteme verorten Wissen und darauf abgestimmte Aufgabenstellungen meist in grösseren Kompetenzbereichen. Die Kompetenzbereiche decken dann jeweils weitere Teilkompetenzen ab.
Es ist eine Herausforderung, die Übersicht zu behalten. Meist beginnen die Lernsysteme mit einer Lernstandserhebung. Die Schüler lösen ein Aufgabenset und werden anschliessend in Niveaugruppen klassifiziert. Das System spuckt einen Zahlenwert aus, welchen man mit Hilfe einer Kompetenzskala interpretieren kann.

Anfänglich scheint es auch für die Lernenden interessant, Wissen zu klassifizieren und mit einem numerischen Wert ihre eigene Leistung im Vergleich mit Gleichaltrigen abschätzen zu können. Zwei Monate später stosse ich dann aber nicht selten auf Verwunderung, wenn mir meine Schüler berichten, dass ihre zweite Lernstandserhebung schlechter ausgefallen ist, als die erste, obwohl sie während den letzten Wochen pflichtbewusst an den generierten Lernsets gearbeitet haben. Spätestens beim dritten Resultat wird dann die Scheinobjektivität, die das System vorgaukelt, offensichtlich, wenn das Resultat ins andere Extrem ausschlägt.

Aufgabensets werden aufgrund von Momentaufnahmen zusammengestellt. Häufig sind sie wenig strukturiert. Es ist schwierig nachzuvollziehen, in welchen Kompetenzbereichen sich die Lernenden nun weiterentwickeln sollen. Die Resultate sind zu einem gewissen Grad Produkt der Tagesform. Das ist zwar auch im herkömmlichen Unterricht der Fall, doch das System ändert sich hier nicht fortlaufend, sondern ist weitgehend stabil. Besonders kritisch werde ich, wenn die vorgegaukelte Scheinobjektivität für bare Münze genommen wird. Zeugnisse beiseite, zeig mir deine Stellwerk-Resultate!

Keine Frage, auch Rückmeldungen von mir als Lehrperson gaukeln eine gewisse Scheinobjektivität vor. Detaillierte Kriterienraster mit Kompetenzbereichen sollen meine formativen und summativen Rückmeldungen «objektivieren», doch schliesslich fliesst immer noch eine ganze Menge Subjektivität in die Zusammenarbeit mit ein. Zurecht, wie ich finde.

Ich erkenne positive Aspekte bei adaptiven Lernverfahren, ich erkenne den Mehrwert! Nur bis anhin habe ich ihn noch nicht richtig fassen können. Und so frage ich mich nach einer ernüchternden Stunde im Computerraum:

  • Ist Lernen nicht doch eine hochgradig soziale Aktivität?
  • Was passiert mit den gesammelten Daten? Wie werden diese ausgewertet? Werden sie weiterverwendet?
  • Trifft der Begriff «Bildungsmonitoring» in diesem Aspekt den Nagel auf den Kopf?
  • Wo bleibt die Kreativität? Empathie? Das vernetzte Denken? Intrinsisches, entdeckendes Lernen?

Schliesslich besinne ich mich wieder und betrachte die Stunde mit einer gewissen Distanz.

Positive Aspekte bleiben: Gewisse Schülerinnen und Schüler arbeiten auch zu Hause mit den Programmen, intrinsisch motiviert! Positive Erfahrungen im Bereich des selbstständigen und selbstorganisierten Lernens werden gesammelt. Einzelne Jugendliche zeigen mir mit Stolz ihre Lernfortschritte; zwar numerisch klassifiziert und nur schwer zu interpretieren, aber es macht den Anschein, als liessen sich hier Selbstwirksamkeitserfahrungen erkennen.

Ich bleibe mit geteilten Gefühlen zurück: Enttäuscht vom Heilsversprechen, aber doch erwartungsvoll und neugierig in die Zukunft blickend. Die Lernenden tippen weiter eifrig auf den Tasten rum, meine damalige Mentorin an der Pädagogischen Hochschule würde vermutlich von einem «hohen Anteil echter Lernzeit sprechen» …
Nur allzu gerne würde ich die Einzelheiten der Lektion mit ihr bis ins kleinste Detail durchkauen, wie das damals üblich war. Käme sie nun mit ihrem Lieblingspädagogen Hilbert Meyer und dem so wichtigen «hohen Anteil echter Lernzeit», würde ich sie wohl  höflich korrigieren. Hohe Schüleraktivität vorhanden, das mit der echten Lernzeit… da bin ich vorsichtiger mit meinem Urteil.

 

Apprentissage numérique

Digitaler Fremdsprachenunterricht mit Lernplattformen

Während den vergangenen acht Wochen bin ich mit meiner Klasse im Französischunterricht intensiv in die Welt des digitalen Lernens mit Hilfe von unterschiedlichen Lernplattformen eingetaucht. Nach einer ersten Arbeitsphase ist es nun an der Zeit, ein Zwischenfazit zu ziehen.

Welche Lernplattformen gibt es für den Französischunterricht/Fremdsprachenunterricht?

Es ist nicht ganz einfach, eine Vielzahl von unterschiedlichen und qualitativ ansprechenden Lernplattformen oder Übungssoftwares für den Französischunterricht aufzuzählen. Neben den Lernplattformen, die sich bereits seit geraumer Zeit im Umlauf befinden und Einzug in den Schulalltag gefunden haben wie beispielsweise «Schularena», «Quizlet» oder «On s’entraine» habe ich auch kostenpflichtige Produkte von privaten Unternehmen getestet. Auf Anfrage gebe ich gerne Auskunft über die dabei gemachten Erfahrungen mit den getesteten Plattformen.

Qualitativ gute gratis e-Learning-Plattformen sind aus nachvollziehbaren Gründen nicht ganz einfach zu finden. Ich persönlich arbeite noch gerne mit «Bonjour-de-France». Mittlerweise gibt es eine Reihe von kostenpflichtigen Angeboten, die teils adaptiv und ansprechend/motivierend gestaltet sind. Eine gute Übersicht dazu gibt die Seite «Online-Sprachen-Lernen».

Wie sind solche Lernplattformen aufgebaut?

Neben den wenigen digitalen Lernplattformen, die auf den vorhandenen Lehrmitteln basieren, orientieren sich die meisten Lernplattformen am Gemeinsamen europäischen Referenzrahmen für Sprachen (GeRS). In unterschiedlich gegliederten Unterrichtseinheiten werden meist grammatikalische und teils kommunikative Sprachkompetenzen erworben und gefördert. Die Lernenden können selbstständig nach ihren Interessen und nach ihrem eigenen Rhythmus an den Inhalten arbeiten. Häufig wird dabei zuerst die Theorie präsentiert, bevor Vertiefungs- und Überprüfungsaufgaben gelöst werden können (deduktive Herangehensweise). Die Lehrperson begleitet und unterstützt dabei die Schülerinnen und Schüler im Lernprozess. Bei vielen Lernplattformen gibt es erweiterte Nutzungsrechte für Lehrpersonen, um den Lernprozess der Schüler/innen im Überblick zu behalten.

Einige Vorteile von digitalen Lernplattformen

  • Anregende, motivierende Ergänzung zu den vorhandenen Lehrmitteln
  • Teils ansprechend animierte Videos inklusive Transkribt
  • Förderung der Selbstständigkeit und Selbstorganisation der Lernenden
  • Klare Struktur – häufig benutzerfreundliches und intuitives Layout
  • Transparente Lernzielorientierung (sehr unterschiedlich)
  • Direktes Feedback durch digitale Auswertung (ressourcenorientiertes Arbeiten)
  • Möglichkeiten zur Differenzierung nach Niveau, Interesse, Lerntyp, etc.
  • Wenig Papier
  • Smartphone-kompatible Websites (immer mehr im Umlauf)
  • Je nach Plattform teils erweiterte Nutzungsrechte für Lehrpersonen (Codes für Tests, Übersicht Leistungen und Aktivität der Lernenden, Transkribte, etc.)

Kritische Punkte

  • Als Lehrperson ist es schwierig, beim individualisierten Arbeiten den Überblick zu behalten. Hier bietet sich die Arbeit mit Lernjournalen und Erkenntnisberichten an.
  • Sprechsituationen und Sprechübungen müssen häufig ergänzt werden (der kommunikative Aspekt kommt eher zu kurz)
  • Binäres Auswertungssystem: Es gibt nur «richtig» oder «falsch», es gibt keine halben Punkte (z.B. «accent aigu» vergessen/Einzahl-Plural).
  • Die Lernenden müssen meist ihr eigenes Sprachniveau gut kennen, um gezielt niveaugerechte Aufgaben lösen zu können. Einzelne Lernenden werden hier überfordert sein (hier ist die Unterstützung durch die Lehrperson zentral).
  • Datenintensive Videos: Bei einer schlechten Internetverbindung laden einzelne Dateien nicht oder nur sehr langsam. (schulinterne Unterschiede)
  • Sprachenlernen ist hier teilweise Selbstzweck, was durchaus auch seine Berechtigung aufweist und keinesfalls nur negativ gewertet werden soll. Neueren Entwicklungen der Fremdsprachendidaktik wie dem Communicative Language Approach oder dem Task-Based-Learning (Apprentissage par tâches, acteurs sociaux) wird dabei allerdings wenig Rechnung getragen.
  • Viele Lernplattformen und gratis Übungssoftwares weisen keinen adaptiven Charakter auf (Anpassung an den aktuellen Sprachstand der Lernenden). Es bleibt abzuwarten, ob alternative Angebote wie «Lernpass» ähnliche und/oder erweiterte Möglichkeiten in Bezug auf digitales Lernen bieten.

Digitale Lernplattformen und Übungssoftwares – eine Alternative zum Lehrmittel?

Ja, meines Erachtens kann man sie als Alternative zu den aktuellen physischen Lehrmitteln betrachtet. Hier gilt es zu berücksichtigen, dass sich viele Programme primär am GeRS orientieren. Weiterführende Schulen orientieren sich indes noch stark an den kantonal empfohlenen und/oder teils vorgeschriebenen Lehrmitteln. Die Lernplattformen können somit gut als Ergänzung zu den bestehenden Lehrmitteln eingesetzt werden. Ausserdem bieten sie Möglichkeiten für förderorientierte und individualisierte Unterrichtsgefässe, welche nach dem Prinzip des selbstorganisierten Lernens (SOL) aufgebaut sind.

Meine Klasse hat grundsätzlich ein sehr positives Fazit zur Arbeit mit den digitalen Lernplattformen gezogen.

Exemplarische Aussagen einzelner Schülerinnen und Schüler

  • «Ein grosser Unterschied war, dass wir kaum Zeug brauchten. Sonst war es sehr mühsam mit den Büchern.»
  • «Die spielerischen Aufgaben waren cool. Die Theorie sollte noch auf Deutsch übersetzt werden.»
  • «Ich kann in meinem eigenen Tempo arbeiten.»
  • «Es macht viel mehr Spass am Tablet zu arbeiten, weil man selbstständiger sein muss.»
  • „Die Theorieaufgaben machen mir besonders viel Spass.»
  • «Ein Nachteil ist, dass es einen ganzen Punkt Abzug gibt, wenn man einen Fehler hat.»
  • «Es macht Spass. Man lernt nur elektronisch und nicht mit dem Buch/Heft.»
  • «Es hat ein bisschen viel Text und (fast) keine Videos.»
  • «Ich würde gerne weiterhin so arbeiten, weil meine Motivation mehr da ist und ich sehe meine Fortschritte an den Punkten.»
  • «Wenn ich etwas ändern könnte, würde ich mehr spielerische Aufgaben erstellen.»
  • «Ich bevorzuge Envol, weil es mehr mit der Klasse ist.»

PenPals-Project

 Kulturelles Lernen im Fremdsprachenunterricht oder «von der Liebe zu Donuts»

Fremdsprachenerwerb ist für mich im besten Fall gleichzusetzen mit kulturellem Lernen. Weshalb lernen die Schüler/innen denn eine Fremdsprache? Um Lehrpersonen innerhalb des Klassenzimmers zu beeindrucken? Um zukünftige Arbeitgeber mit offiziell anerkannten Diplomen zu beeindrucken? Naja, vielleicht ja auch…aber das Erlernen einer Fremdsprache soll in erster Linie den Lernenden die Möglichkeit bieten, mit anderen Menschen in Kontakt zu treten und den eigenen Erfahrungshorizont zu erweitern.

Letzte Woche habe ich mit meiner Klasse am Projekt «World Explorers» von PenPalSchools gestartet. Über einen Zeitraum von sechs Wochen kommunizieren und interagieren meine Schüler/innen nun mit anderen Jugendlichen aus allen Kontinenten. Eine wöchentliche Einstiegslektion bietet nebst einer inhaltlichen Gesprächsgrundlage weitere sprachliche Hilfestellungen wie neues Vokabular oder sprachstrukturelle Hilfen (z.B. Wie formuliere ich eine Frage?).

Penpal Schools wird bereits von über 15’000 Lehrpersonen in 144 Ländern verwendet. Für die ersten 5 Lehrpersonen pro Schulhaus ist das Programm derzeit noch kostenlos. Die Seite eignet sich um authentisches Fremdsprachenlernen in der direkten Interaktion mit anderen Lernenden zu fördern. Die Partnerschulen werden geprüft und sind vertrauenswürdig. Aus kulturellen Gründen werden allen Lernenden vier weitere Penpals des gleichen Alters und Geschlechts zugeordnet. Auch haben die Penpals eine vergleichbare Sprachkompetenz. Als Lehrperson steht mir ein Dashboard zur Verfügung, auf welchem ich die asynchronen Chatverläufe meiner Klasse lesen, überprüfen, kommentieren und bewerten kann.

Die Schüler/innen freuten sich enorm darauf, das Lehrmittel einmal beiseite zu legen und über die digitale Welt in andere Kulturen einzutauchen. Nun arbeiten wir jeweils montags mit PenPalSchools und trainieren damit unsere Lesekompetenzen, verfeinern unsere sprachliche Ausdrucksfähigkeit, erwerben neues Vokabular, lernen, was es heisst, sich im Internet darzustellen und was das Leben auf anderen Erdteilen zu bieten hat.

Dabei werden sowohl kulturelle Unterschiede als auch Gemeinsamkeiten erkannt. So stellte einer meiner Schüler mit Freude fest, dass auch in Amerika (wer hätte es gedacht?) Donuts auf dem Tagesprogramm stehen…

Ob vor oder nach dem Zähneputzen – wie bei meinem Schüler – ist dabei offengeblieben :-)…

 

Marc Helbling, Oktober 2017